Ich hab lang nachgedacht über den Satz für die Wand des Seevehofs: Lustig und einnehmend, gleichzeitig deutlich sollte er sein. Aber die Zeit für Parolen läuft ab. Wie müssen uns jetzt gegenseitig zuhören. Aus dem Satz sind dann Fragen geworden, die jede beantworten kann, die sich um unser Land sorgt. Und dabei ist es erst mal egal, welcher Art diese Sorgen sind.

Neulich zurück vom Berlin-Kurztrip ruckelt mich der Metronom durch die Dunkelheit nach Buchholz in der Nordheide. In der Nachbarsitzgruppe doziert ein Mittfünfziger im neongelben Warnschutzparka: „Pizza, Spaghetti, dieser Salat beim Jugoslawen früher: Kulinarisch is’ ja nicht alles schlecht, was die Ausländer gemacht haben. Aber es sollte doch was Besonderes bleiben!“ Angst vor „Überfremdung“, „Ich bin kein Nazi, aber…“, Multikulti-Skepsis – Standardgespräche hier. Ich war zu Hause.

Und dabei war ich noch angefüllt von Begegnungen in der Berliner Ringbahn: Das indische Paar, das versucht hatte, ihren wuseligen 5-Jährigen in Schach zu halten, der zwischen ihnen hin und hersprang, um Küsse zu verteilen. Oder der grummelige alte Schwarze, der, als sein Handy klingelte, plötzlich ganz zärtlich in sein Telefon flüsterte. Von ihren Sprachen verstand ich kein Wort, aber ich wusste, was diese Menschen fühlten. Hier auf dem Land fehlen solche Begegnungen, fehlt die Chance, täglich das Normale im Fremden zu erkennen.

„Sich fremd fühlen“, „nicht gesehen werden“ – das ist Gift für unser Zusammenleben. Menschen brauchen Wertschätzung und Respekt für das, was sie tun, denken und fühlen. Dafür, wer sie sind. Auch, wenn das Gegenüber irgendwie anders ist. Anders denkt. Vielleicht sogar anders fühlt.

Und oh, das ist so schwierig: Widerspruch und Widersprüche aushalten bedeutet, dem Zweifel die Tür zu öffnen. Und das untergräbt unser Sicherheitsempfinden, um das es im Moment (Klima, Kriege, Wirtschaftsabschwung) sowieso schon nicht zum Besten steht. Wir brauchen großen Mut dafür. Aber wenn wir den aufbringen, wird Kommunikation und Verständnis möglich. Und dann können wir Größe zeigen. Und nicht nur Gesicht.

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von Marie Amrhein